Zeitungsartikel aus Nürnberg von Hanswolf Obermüller
zum 100. Geburtstag Nietzsches im Jahr 1944

Ein Zufall spielte mir diesen Original-Artikel in die Hände, den ein damaliger Nietzsche-Freund aus der Zeitung (wohl der "Fränkischen Tagespost" vom 15.10.1944 [?]) herausgeschnitten und in sein Zarathustra-Bändchen eingelegt hatte, das ich hier auf einem Flohmarkt erstand.
Erstaunlich ist der Grundtenor des Artikels zu jener Zeit – jedem Denkenden war das nahe Ende des "Dritten Reiches" klar, und so hätte man hier am ehesten Durchhalteparolen und Visionen erwartet. Doch das Gegenteil ist der Fall; fast hätte der Text auch so zum 100. Todestag gesagt werden können, der gerade vergangen ist. Oder noch mehr: Bei genauem Hinsehen meint man zwischen den Zeilen durchaus ein kritisches Sich-Herausnehmen mit Nietzsche herauszuhören, das wahrzunehmen die damalige Zensur wohl zu dumm war – auch hier "bewährt" sich die Zwei-Deutigkeit Nietzsches ...

(Hätte man nicht schon bei einer solchen Überschrift stutzig werden müssen? Ein Ja zum Leben mitten im millionenfachen Tod des Krieges? Eine Zeitung hatte zu dieser Zeit immer auch eine Flut von Todesanzeigen derjenigen zu bringen, die "im Dienst des Vaterlandes" zu Tode gekommen waren, von den "zu Tode Gebrachten" ganz zu schweigen ... Trotz seiner widersprüchlichen Aussagen kommt es Nietzsche auf die Auseinandersetzung [sic] als Leben an, um dieses hinaufzutreiben. Eine romantische "Todessehnsucht", wie sie etwa Th. Mann Nietzsche unterstellt, ist dessen Denkweise absolut konträr.)

So weit, so richtig – und für die damalige Zeit vielleicht auch mutig – ist das wohl gesagt; auf der selben Zeitungsseite fand ich auf der Rückseite folgende Meldungen, die das entsprechende Zeitcolorit beklemmend herstellen: