Drei Opern über Nietzsche



Wolfgang Rihms Nietzsche-Oper "Dionysos" in Salzburg 2010


"Dionysos" ist "Uraufführung des Jahres 2011"

Bei der traditionellen Kritikerumfrage der Zeitschrift "Opernwelt" ging die Auszeichnung für die "Uraufführung des Jahres" an die Salzburger Festspiele für Wolfgang Rihms "Dionysos". Inszeniert hat das durch Nietzsche-Texte inspirierte Stück Pierre Audi, am Pult stand Ingo Metzmacher. Zu hören waren unter anderem der Bariton Martin Kränzle und die Sopranistin Mojca Ermann (Bild). Kränzle wurde auch als "Sänger des Jahres" ausgezeichnet.
Internet vom 04.10.2011 bei Kultiversum/Opernwelt



Foto: BR Klassik

Ausführlich befasst sich BR Klassik im Hörfunk und im Internet mit dieser Uraufführung:

Lesen Sie den Vorbericht im Internet -

schauen Sie sich die Bildstrecke im Internet an -

und hier ein Audio-Ausschnitt der Uraufführungskritik in BR Klassik vom 28.07.2010 von Bernhard Neuhoff (mp3 / 3.7 MB):
„grandiose Musik am Schluss einer bejubelten, aber nicht unproblematischen Uraufführung“ mit einigen Musikbeispielen: BR Klassik am 28.07.2010 zur Uraufführung



Julia Spinola schreibt bei FAZ.NET vom 21.07.2010 über diese Uraufführung der Salzburger Festspiele 2010 unter der Überschrift "Der sonnige Laller":
Nietzsche vertonen - unmöglich, notierte einst Wolfgang Rihm, der Aphoristiker. Jetzt bringt Wolfgang Rihm, der Tonsetzer, bei den Salzburger Festspielen doch eine Oper heraus, die sich im Werk des Philosophen bedient.
... Das Libretto hat Rihm sich selbst geschrieben, jedoch nur Worte der Vorlage von Nietzsche verwendet. Nicht ohne Stolz stellt er fest, dass es sich liest wie eine „absurde Dichtung irgendwo zwischen Ezra Pound und Karl Valentin“. Nietzsche heißt in Rihms Partitur nur „N“: wie „Nestitur“ oder wie „Nomen“ ...
Soweit FAZ.NET - den gesamten Vorbericht finden Sie hier im Internet.

In der WELT ONLINE schreibt Hans-Joachim Müller am 25.07.2010 über das Bühnenbild von Jonathan Meese unter dem Titel "Das ist eine brutal gute Zeit für einen Neustart":
Für Wolfgang Rihms Nietzsche-Oper "Dionysos" hat er das Bühnenbild entworfen. Eine riesenhafte Maske. Eine bühnenbreite Sonnenbrille, die vom Schnürboden hängt. Einen hügeligen Bart, Nietzsches Bart. Ein Pferd, "ganz spitz mit Stacheln, ganz toll, ganz einfach, ganz geometrisch". Überhaupt die Geometrie. Quader, eine liegende Acht, das Unendlichkeitszeichen, acht mannshohe Pyramiden im einen Akt, acht weibshohe Kugeln im anderen. Strenge Formen, aus Nietzsches strenger Physiognomie geschnitten. Meese sagt tatsächlich "Physiognomie". "Denken Sie an den Schnurrbart, die Augen, den scharfen Kopf, rattenscharf wie ,Clockwork Orange', wie die Züge im Gesicht von Marlon Brando."
... Nietzsche könne man nicht disziplinieren, verwischt Jonathan Meese den apollinischen Gedanken. "Bitte, schreiben Sie: Nietzsche ist ein Muskel. Versprechen Sie, dass Sie das unbedingt schreiben werden: Nietzsche ist ein Muskel."
Den ganzen Bericht finden Sie hier.

DiePresse.com berichtet am 23.07.2010 gleich in zwei Artikeln von dieser Uraufführung:
"Dyonisos": Nietzsches Geburt aus dem Geist der Musik - ist der erste überschrieben; WILHELM SINKOVICZ schreibt:
... Rihm geht wohl auch diesmal nicht vom Wort aus, sondern nützt Nietzsches Sätze, Phrasen, Worte als musikalische Bausteine seiner Komposition. Die scheint – man kann das vor der Uraufführung bereits dem Klavierauszug entnehmen – ihre Eigendynamik aus sich heraus entfaltet zu haben, wie bei diesem Komponisten gewohnt.
Den gesamten Text finden Sie hier ...

Der zweite Vorbericht bei DiePresse.com verrät auch den Untertitel dieser 3. Nietzsche-Oper der letzten Jahre:
Die absolute Novität des Sommers: „Dionysos“, das Auftragswerk für Wolfgang Rihm. „Szenen und Dithyramben. Eine Opernfantasie nach Texten von Friedrich Nietzsche“ – der Untertitel verrät viel über die Struktur des Vexierspiels über Textfragmenten und Lebensstationen des Philosophen.
Den zweiten Text finden Sie hier ...

Auch die Kronenzeitung und sogar BILD bringen Vorberichte über dieses musikalisch-inszenatorische Großereignis!


Natürlich wurde auch die Uraufführung selbst in den Feuilletons besprochen:

Manuel Brug schreibt in WELT Online am 29.07.2010 unter der Überschrift "Salzburg macht auf Nietzsche" unter anderem: "Rihm bietet viel. Zuviel? Es beginnt instrumentenlos mit Frauenlachen auf dem Meer, wo der hier nur N. genannte Dionysos rudert, Nymphen ihn locken. Später gesellt sich als Alter Ego und ewig ausgleichender Gegner eines extrem göttlichen Prinzips Apoll dazu, der heißt 'Ein Gast'. N. bleibt (wie einst Hofmannsthal dichtete), kommt er als neuer Gott gegangen, vorwiegend hingegeben stumm. Später besingt man sich ('ich bin dein Labyrinth') und duettiert, klettert durchs Gebirge, das nach Alban Berg klingt, hängt am Abgrund: 'Fünf Fuß breit Erde, Morgenrot / Mensch, Welt und Tod!' Pegasus fliegt vorbei. Lust will Ewigkeit. Es wird noch straussischer, mahlert heftig.
Nach dieser lenden- und fußlahmen, nur routiniert statischen ersten Hälfte geht es entschieden vollsaftig weiter. Ein Salzburger Pausenfoyer verengt sich zum Kunstbordell als Vernissage mit Nietzsche-Cola-Installation und vier lockenden Ladys, die ihren Kollektivnamen von der Hetäre Esmeralda aus Thomas Manns 'Doktor Faustus' geborgt haben. Unbeeindruckt ('macht Dunkel um mich mit euren Eutern!') singt N. zum Klavier ein an Schumann gemahnendes Wanderer-Kunstlied und tanzt Walzer.

Hier geht's zum ganzen Artikel bei WELT Online!

Ljubisa Tosic schreibt in DER STANDARD vom 29.7.2010 unter dem Titel "Eine Wanderschaft der Identitäten. Uraufführung von Wolfgang Rihms 'Dionysos' im Haus für Mozart: Heftiger Applaus für alle." unter anderem:
Salzburg - Eine Menge herrlich greller Anblicke im Mozarthaus: Es rudert der Herr N. auf einem Felsen, der aussieht wie der Schnurrbart des Philosophen Nietzsche; es wandert der Herr N. auch in einem Meer aus pyramidenartigen Berggipfeln, um andernorts zwischen riesigen Kugeln quasi an einer psychedelisch anmutenden Fete teilzunehmen. Für jede der vier Szenen in Wolfgang Rihms neuer "Opernphantasie" hat der deutsche Künstler Jonathan Meese einen eigenen Bilderkosmos geschaffen. Und nicht nur mit dickem Pinselstrich Statements gesetzt.
Das Klavier, die hereingeschobene Harfe, das Pferd, die riesige Flasche - es sind alles schön klobige, klare und lustig gemalte Assistenten einer abstrakten Musiktheaterassoziation. Das trägt. Und auch die mit herabrinnenden Farben und Formen arbeitenden Videos (Martin Eidenberger) verhelfen Musik und Optik elegant zu so manch gesamtkunstwerklicher Verschmelzung.
Rihms Musik ist von berückender Klarheit, die gar keine Hilfe bräuchte. Das meisterhafte Handwerk des Komponisten verwirklicht sich hier zwar gerne in ruhigen Strukturverläufen, klaren harmonischen Flächen und ist frei von Angst, zugänglich-tonal zu wirken. Allein, Virtuose Rihm ist immer wieder auch ein Meister der Ambivalenz, der emotionalen Doppeldeutigkeit und der dramatischen Aufladung.
Zwischendurch bäumt sich seine Musik denn auch zu komplexen, mitunter perkussiven Energieschüben auf. Und selbst wenn so ein kleiner Walzer daherkommt, ist er weit davon entfernt, eindeutig historisch zu wirken, betört als Fusion aus süffig und komplex. Hier ist einer auch auf die Brücke zwischen Spätromantik und Moderne zurückgegangen und ist doch ganz bei sich geblieben, indem er eine endlose Folge starker Musikmomente erschaffen hat. Und nebenher auch witzig mit dem Genre Oper spielt, ohne eine Oper im klassischen Sinne geschrieben zu haben.

Hier geht's zum ganzen Artikel des STANDARD!

Eleonore Büning war für die Frankfurter Allgemeine Zeitung in Salzburg und überschreibt ihre Besprechung vom 30.07.2010: Ich bin dein La-La-La-Labyrinth. Es gibt viel zu lachen in Wolfgang Rihms Oper „Dionysos“, die jetzt in Salzburg uraufgeführt wurde. Aber es gibt noch mehr zu staunen: über die Wunder des Bühnenbilds und die Zaubereien der Musik.
... "Jedes Wort im Libretto der Oper „Dionysos“ stammt von Friedrich Nietzsche. Wolfgang Rihm hat sich den Text selbst zusammengestellt. Es ist seine achte, neunte oder gar zehnte Oper, je nachdem, ob auch Kammeropern wie der frühe „Jakob Lenz“ mitgerechnet werden und textloses, spätes sogenanntes „Musiktheater“ wie „Séraphin“. Und seit langem schon, seit Rihms dritter Symphonie, seinem Quartettsatz „Selbsthenker!“ und dem Orchesterliederzyklus „Umsungen“, wandern die Worte Nietzsches durch sein Musikschaffen. Das neue Stück verarbeitet die späten, erst 1889 veröffentlichten „Dionysos-Dithyramben“, die Nietzsche allerdings so früh begonnen hat, dass darin auch noch Zarathustra herumspukt – die er aber andererseits so spät zu Papier brachte, dass der ausbrechende Wahnsinn mit seinen spitzen Krallen deutliche Spuren hinterließ. Es sind viele bekannte, auch geflügelte Worte dabei, immer auf dem Sprung, sich loszureißen und selbständig zu machen, zum Beispiel der herrliche Spruch von den schönen „Locken des Zufalls“. Die Opernfiguren aber, welche die Zauberworte des göttlichen „Privat-Hanswursts“ nun abendfüllend singen und sagen dürfen, dieser schwindelhoch glitzernde Sopran, die lieblichen Mezzo- und Altstimmen, der schlank-schmelzende Tenorheld und der dunkle, saftig-sinnliche Bariton: Die haben wir alle schon mal irgendwo anders gesehen und gehört.

Hier geht's zum ganzen Artikel der FAZ!

Die Frankfurter Rundschau vom 30.07.2010 berichtet unter der Überschrift: Die Vertonung des Ortlosen. Wolfgang Rihms Opernphantasie „Dionysos“ als einsamer Höhepunkt im Salzburger Festspiel-Sommer: Jedes Wort des Librettos stammt von Nietzsche, aber der Text ist von Wolfgang Rihm, und bei ihm hat Nietzsche auch Wittgenstein gelesen. Und Rihms Musik beweist, dass es keine unvertonbaren Texte gibt.
Hans Jürgen Linke schreibt: "Man weiß nicht recht, was N. will. Will er die Nymphen? Will er Ekstase oder doch Wahrheit? Will er Gott sein, von dem er aber sagt, er sei tot? N. selbst weiß das auch nicht, er weiß nur: Er will alles und kann im Vergleich dazu fast nichts tun und nichts erreichen, und vor der Begegnung mit einem Gott muss es ihn grausen, denn Götter ziehen einem Menschen schon mal die Haut ab. Wolfgang Rihms Opernphantasie „Dionysos“, die gewichtige Musiktheater-Neuproduktion der Salzburger Festspiele, koproduziert mit der Amsterdamer Oper und der Berliner Linden-Oper, dreht sich weniger um den titelgebenden Gott des Rausches als um die Kunst und um einen Philosophen, dessen Name mit N. beginnt, der Zarathustra sagen ließ, dass alle Lust Ewigkeit wolle und der am Ende seines Lebens die Dionysos-Dithyramben publizierte."

Hier geht's zum ganzen Artikel der FR!

Die Neue Züricher Zeitung vom 29.07.2010 titelt: Wenn einer in sich hineinhorcht.
"Mit einer neuen Oper von Wolfgang Rihm ist das Musiktheater der Salzburger Festspiele eröffnet worden. «Dionysos» geht von einem komplexen Stoff aus und bietet sinnliche, höchst anregende Musik. Und da die Uraufführung musikalisch wie szenisch hohes Niveau erreicht, kommt es zu einem äusserst intensiven Abend.", meint Peter Hagmann.
... "Dionysos und Apollon – wenn die beiden nicht in produktive Spannung zueinander gerieten, gehe es nicht. Wolfgang Rihm weiss, wovon er spricht, und er spricht eingehend und eindrücklich davon. Jetzt eben in seiner jüngsten Oper, die sich kurz und bündig «Dionysos» nennt. Zugrunde liegen ihr die «Dionysos-Dithyramben» von Friedrich Nietzsche, ein Konvolut sprachmächtiger, nach vielen Seiten kräftig ausgreifender, aber alles andere als rasch auf einen Nenner zu bringender Gedichte. Seit Jahrzehnten steht Rihm in ihrem Bann, immer wieder ist er in Stücken auf sie zurückgekommen. Und vor fünfzehn Jahren hat er dem Dirigenten Ingo Metzmacher eine Oper über diese Texte versprochen. Im Dezember letzten Jahres hat der Komponist alles dazu Geschriebene verworfen und nochmals von vorn begonnen; in raschen, fiebrigen Schüben trat das Ding ans Licht, und jetzt ist «Dionysos» als erste der vier Musiktheaterpremieren dieses Sommers bei den Salzburger Festspielen aus der Taufe gehoben worden."

Hier geht's zum ganzen Artikel der NZZ!

Im Mannheimer Morgen vom 02.08.2010 liefert Stefan M. Dettlinger eine objektive und kritische Besprechung, die dem Werk selbst wie der der Salzburger Aufführung gerecht zu werden scheint. Einleitend schreibt er:
"Wir erleben 'Dionysos', die neue 'Opernfantasie' des Karlsruher Komponisten Wolfgang Rihm. Rihms Musik ist wieder wie ein gewaltiges Klangfenster in Vergangenes. Vom Bach-Choral über 'Rheingold'-Partikel bis hin zu neuartig scheinenden Klangschichtungen schießen uns jede Menge Töne und jede Menge Worte in die Ohren. Das Ganze ist ein buntes Sammelsurium, ein rauschhafter Blick auf Friedrich Nietzsches verworrene 'Dionysos-Dithyramben' - und ein Blick zurück ohne Zorn darauf, dass Neues nur aus Destillaten des Alten entsteht. Salzburg mag solches Musiktheater, das niemanden provoziert und allen gefällt - außer einigen, die skeptisch werden und fragen: Ist das die Zukunft der zeitgenössischen Musik?
Wir erleben aber auch noch etwas anderes: Die Kunst verselbstständigt sich, macht sich - im Sinne einer ars gratia artis - frei von Zweck, von Narration. Sie diktiert. Daran ist der Performancekünstler Jonathan Meese schuld, der hier mächtige Bühnenbilder erfunden hat nach dem Motto: 'Ich kenne das Libretto und das Musikalische im Grunde gar nicht, aber das ist auch nicht so wichtig. Ich brauche nur ein paar Stichworte.'
Wohlgemerkt: Dies wird Meese hier nicht unterstellt. Er hat es tatsächlich gesagt und damit ein Stück weit das Problem dieses Abends geschildert. Seine proklamierte 'Diktatur der Kunst' funktioniert nur, wenn diese Diktatur von ihm, Meese, ausgeübt wird, er also statt sich mit der Kunst der anderen zu verbinden und zu verbünden alles andere bildmächtig überlagern kann.

Hier finden Sie den ganzen Artikel Im Morgeweb!

Zuletzt meldedet sich auch ZEIT ONLINE am 05.08.2008 mit einem Artikel con Claus Spahn zu Wort. Er schreibt unter anderem:
"Sein ganzes Komponistenleben lang befasst sich Rihm obsessiv mit Nietzsche-Texten. Vor 15 Jahren schon hat er den Beschluss gefasst, die Dionysos-Dithyramben in Musiktheater zu verwandeln. Aber nach einer schweren Geburt klingt das fertige Werk nicht. So erratisch und unzugänglich es nach außen hin auf den ersten Blick wirken mag, so flüssig und passagenweise redselig ist es in seinem musikalischen Inneren. Rihm hat die schweren Nietzsche-Libretto-Felsbrocken nicht schwitzend und mit angeschwollenen Muskeln in die Höhe gestemmt. Über ganze Szenen hinweg sind es für ihn eher glitzernde Kieselsteine, die er durch die Finger gleiten lässt.
Lesen Sie hier den gesamten Artikel der ZEIT.

Eine sehr interessante Besprechung von Wolfgang Rihms Nietzsche-Variationen «Dionysos» liefert kultiversum - Die Kulturplattform am 30.12.2010 im Internet (von Jürgen Otten, Gerhard Persché / aus: opernwelt / Seite 6, Sep.t/Okt. 2010), dessen Lektüre sehr zu empfehlen ist: "Der Abend ist also eine Art Traumspiel, ein (der Ratio abhandengekommener, also irgendwie auch mahlerisch gefügter) Gang durch die eigene Körper-, Geist- und Seelenlandschaft, ebenso ein Wandeln durch die Zeiten. «Dionysos» ist, auch, tönender Initations- und Erkenntnisroman. Das Verhängnisvolle daran: Der Wanderer geht kaum geläutert daraus hervor. Der Einsamste ist nicht der Stärkste."
Lesen Sie den gesamten Artikel hier.



Uraufführung von Franz Hummels 19. Oper "Zarathustra" am 24. April am Theater Regensburg

Die aufwendigste Premiere der Saison stemmt das Theater Regensburg am 24. April: "Zarathustra". Eine Oper von Franz Hummel, Leben und Werk des Dichters und Philosophen Friedrich Nietzsche gewidmet. Das Libretto verfasste Sandra Hummel, Regie führt Intendant Ernö Weil.

Lesen Sie Näheres im Interview von Michael Scheiner mit dem Komponisten sowie im Bericht der Passauer Neuen Presse.

Nachfolgend erste Premierenberichte:

Zwischen hymnischer Begeisterung und deprimierter Enttäuschung:
Kai Günther als Nietzsche in der Regensburger Oper »Zarathustra«.
Foto: Juliane Zitzlsperger (Ausschnitt Nürnberger Nachrichten)

Die Nürnberger Nachrichten vom 26.04.2010 titeln:
Irritationen zwischen Regisseur und Komponist - In Regensburg hatte die Oper »Zarathustra« Premiere

Die Neue Musikzeitung vom 25.04.2010 schreibt:
Nietzsche hoch drei: Franz Hummels „Zarathustra“ in Regensburg uraufgeführt

und die Sulzbach-Rosenberger Zeitung vom 26.04.2010 vermeldet:
Musikalisch durch Nietzsches Leben gepeitscht - Uraufführung von Franz Hummels Oper "Zarathustra" am Regensburger Theater am Bismarckplatz

Die Frankfurter Rundschau vom 15.05.2010 bespricht die Aufführung ausführlich unter dem Titel:
"Nietzsche-Oper in Regensburg. Tanzen mit alten Bekannten"
durchaus positiv (Auszug): "Eine ingeniöse Idee, denn Tanz (auch in Verbindung mit einem der Lieblingswörter des dionysischen Autors als 'Tanz der Sterne') gehört zu den Leitbegriffen von Nietzsches Zarathustra-Visionen. In der ebenso phantasievollen wie eindringlichen, durchaus auf klassischem Bewegungsvokabular basierenden Choreografie von Olaf Schmidt wurde, solistisch und in Gruppenbildern, demnach eine eigene, geheimnisvoll mit der Dichtung korrespondierende 'abstrakte' Geschichte erzählt, auf ihre Weise unergründlich wie das immense Nietzschepoem. Und Hummels zupackend-versierte Theatermusik versteht sich besonders gut als ein anregend-involvierendes körpertheatralisches Medium."




Nietzsche (Teruhiko Komori) und Cosima (Elvira Dressen) der Geraer Aufführung
(Bild: Theater&Philharmonie Thüringen / Habel)


Siegfried Matthus' Nietzsche-Oper "Cosima"

NEU: Der Cottbuser Intendant Martin Schüler gastiert mit seiner „Cosima“-Inszenierung in Potsdam, berichtet die Märkische Allgemeine am 30.04.2010; lesen Sie ein Interview mit dem Intendanten zur Wiederaufnahme dieser Nietzsche-Oper von Matthus in Potsdam.

NEU: Das Jugendstiltheater in Cottbus, das in diesem Jahr 100 alt wird, bringt in dieser Jubiläumssaison eine eigene Inszenierung der Matthus-Oper heraus:
COSIMA (Premiere 4.7.2009, Großes Haus) – Opernfragmente von Friedrich Nietzsche – ist der durch Siegfried Matthus rekonstruierte und ergänzte Traum eines Philosophen von erfüllter Liebe und Erfolg als Opernkomponist. Eine phantasierte Geschichte wird zur modernen Legende.

NEU: ZDF Theaterkanal meldet:
Mit seiner Inszenierung der Oper “Cosima” ist Theater&Philharmonie Thüringen eingeladen, in Bayreuth zu gastieren. Das Gastspiel am 2. Dezember in der Stadthalle wird durch die großzügige Unterstützung von Wolfgang Ramming möglich - der kunstbegeisterte Bayreuther sah die Uraufführung der Oper von Siegfried Matthus am 5. Mai 2007 in Gera und holt sie mit dem Gastspiel in die Festspiel-Stadt, in der die Titelheldin mit Richard Wagner lebte und 1930 starb.

NEU: Die Altenburger Premiere der Matthus-Oper "Cosima" findet am Landestheater 9. März 2008 um 19.00 Uhr statt; die musikalische Leitung hat Generalmusikdirektor Eric Solén. Das Bühnenbild entwarf Dieter Richter, die Kostüme Henrike Bromber.
In den Partien: Elvira Dreßen (Dame mit dem Schleier - gealterte Cosima), Teruhiko Komori (Friedrich Nietzsche), Nico Wouterse (Prof. Otto Binswanger), Gerlinde Illich (Cosima), Tommaso Randazzo ( Friedrich, ein junger Philosoph), Serge Novique (König Ludwig II.), Bernhard Hänsch (Hans von Bülow). Der Opernchor singt in der Einstudierung von Bernhard Ott.
Weitere Informationen im Internet.


Am 28. April 2007 wurde im Staatstheater Braunschweig die Oper "Cosima" aufgeführt. Am 5. Mai brachte das runderneuerte Jugendstil-Opernhaus der Stadt Gera die Co-Uraufführung heraus, allerdings in einer ganz anderen Inszenierung als in Braunschweig. Der Komponist und Textautor Siegried Matthus erzählt - ganz offensichtlich, um seinem Werk von Anfang an Publikumswirksamkeit zu verschaffen - dazu folgende haarsträubende Geschichte:

Ein Zufall habe die Nietzsche-Fragmente zu Tage gefördert: Bei Restaurierungsarbeiten im Schloss Rheinsberg in Brandenburg, wo Matthus die von ihm gegründete Kammeroper leitet, habe sich unter den alten Dielen des Arbeitszimmers vom jungen Kronprinzen Friedrich eine verrostete Blechkiste gefunden, die aus Heeresbeständen des zweiten Weltkriegs stamme. Sie habe die handgeschriebene Partitur Nietzsches aus dessen letzten Lebensjahren in Jena und Weimar enthalten, einen Text über Cosima, die Gefährtin des Dirigenten Hans von Bülow und spätere Frau Richard Wagners.
Ein zweites Bündel Papiere, Tagebuchaufzeichnungen Cosima Wagners aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, enthalte einen Brief Nietzsches an Cosima mit der Mitteilung über die Arbeit an dieser Oper, ohne ihren Titel und Inhalt zu benennen. Weiter stünde darinnen, dass Nietzsche dieses Werk in Bayreuth aufgeführt sehen wollte. Cosima habe die Partitur an sich gebracht, um sie offenbar vor der Welt zu verbergen. Aus dem Bayreuther Haus Wahnfried seien beide Materialien offenbar in den letzten Kriegstagen ausgelagert und von einem Kunstkundigen an den früheren Musenhof Rheinsberg übergeben worden.

Nun ließe man sich eine solche Geschichte gerne gefallen - es ist ja ein uralter Trick der Autoren von den alten Griechen bis hin zu Kierkegaard, aus unterschiedlichen Motiven heraus verwickelte Herkunftsgeschichten des eigenen Manuskripts zu erfinden -, wenn eine solche Story augenzwinkernd zu verstehen gegeben wird. Problematisch wird es erst dann, wenn erstens sich der Erfinder der Geschichte zuletzt so in seine Geschichte verliebt, dass er schließlich selbst daran glaubt, und die Medien in ihren Internet-Veröffentlichungen dabei auch noch naiv mitspielen, wie zum Beispiel der ZDF-Theaterkanal in seiner Beschreibung, Deutschlandradio oder MDR Figaro, anstatt danach zu fragen, ob und wie all diese erfundenen Behauptungen mit der Realität auch nur irgendwie übereinstimmen können. Und in diesem Falle - kein Lebenslauf ist bis ins kleinste so belegt wie derjenige Nietzsches, und über kaum ein Dreiecksbeziehung wie die zwischen Nietzsche, Cosima und Wagner ist mehr veröffentlicht worden - wäre es nun wirklich ein Leichtes gewesen, sich davon zu überzeugen, dass alles, was Matthus an merkwürdigen Auffindungsumständen verlauten lässt, auf freier Erfindung beruhen muss.

Nun, wie Sie gleich hören können, wollen nicht alle Medienleute Matthus so einfach auf den Leim gehen - Bettina Volksdorf und Stefan Lang, die Reporter der Direktübertragung der Geraer Aufführung vom 05.05.2007 in MDR und Deutschlandradio Kultur, fragten schon kräftig nach, was denn den Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen angehe, bekamen aber darauf ein rechtes Herumgeeiere von S. Matthus zu hören, der partout von seiner Fiktion nicht abrücken will. Hören Sie selbst:

Interview Bettina Volksdorf und Stefan Lang mit Siegfried Matthus vor der Geraer Uraufführung (Ausschnitt 1,4 MB)

Am Rande zu diesem Inverview: Wenn Matthus hier behauptet, dass Nietzsches Musik von Bizet beeinflusst sei, zeigt er nur, dass er weder Nietzsches Musik noch Nietzsches Schriften recht kennt. Denn nirgends lehnt sich erstens Nietzsches Komponieren an Bizet an - vielmehr lernte er dessen "Carmen" erst viel später kennen zu einer Zeit, als er selbst nicht mehr komponierte -, und zweitens hat er Bizet, wie er selbst später klarstellt, lediglich antipodisch gegen Wagner benutzt.

Ein weiteres recht aufschlussreiches Interview mit Siegfried Matthus findet sich bei Deutschlandradio Kulturtipp im Internet, gefunden bei Podster.de; der direkte Link zum Interview: http://ondemand-mp3.dradio.de/podcast/2007/04/27/dkultur_200704270849.mp3
Auch hier wird die Matthus-Geschichte vom Fund der angeblichen Original-Papiere Nietzsches, garniert mit einigen kurzen Ausschnitten der Matthus-Oper, kritiklos transportiert.

Hier nun erst einmal ein Ausschnitt aus dem Geraer Uraufführungsbericht der TLZ vom 07.05.2007; der Bericht ist überschrieben "Braver Nietzsche in der Psychiatrie", aus dem Sie auch den Inhalt der Oper entnehmen können:

"Die Geraer Uraufführung der Oper "Cosima" von Siegfried Matthus entführt in die Jenaer Irrenanstalt des späten 19. Jahrhunderts. Ihr bekanntester Patient, Friedrich Nietzsche, überdeutlich mit einem Riesenschnauzbart ausgestattet, komponiert eine Oper. Die Kranken führen einige Szenen aus der neuen Oper auf: Hans von Bülow mit seiner Frau Cosima auf Hochzeitsreise, Cosima Wagner bei König Ludwig II., Wagners Tod in Venedig. In Gera ist Siegfried Matthus´ neues Werk etwas einschichtig - keine Doppeldeutigkeiten, keine tief ausgeleuchteten menschlichen Konflikte - und rein historisierend von Martin Schüler inszeniert worden.
Solch eine Interpretation setzt der Kostümbildnerin Henrike Bromber und dem Bühnenbildner Dieter Richter enge Grenzen. Auch Matthus selbst setzt sich für seine Musiksprache Grenzen. Für die Opernszenen auf der Opernbühne bedient er sich der Musikidiome von Richard Wagner und Georges Bizet, die er geschmackvoll mit Eigenem mischt. In der auch zwischen den Opernszenen wieder aufgenommenen Rahmenhandlung - die alternde Cosima Wagner versucht Nietzsches Opernmanuskript, das sie kompromittieren könnte, an sich zu bringen - funktioniert dagegen Matthus´ Musik pur, also ohne Wagner, ausgezeichnet. Matthus ist kein Neutöner, und mit dieser Oper fügt er der Entwicklung der zeitgenössischen Musik keine ungehörte Dimension hinzu. Fasslichkeit und Uneitelkeit prägen seinen Stil bei handwerklicher Seriosität. Matthus hat sich in seiner neuen Oper eine Lizenz geschaffen, mit Wagnerschen Klangvorstellungen frei jonglieren zu können. Wagnerliebhaber unter den Zuschauern können sich über Zitate aus "Tristan" oder "Parsifal" freuen oder sich über einen pietätlosen Umgang mit der alten Dame Cosima Wagner, der ersten Bayreuther Intendantin und knallharten Musik-Managerin, ärgern. Matthus´ Instinkt für die Bühne zeigt sich in der Sängerfreundlichkeit von Musik und Story. Hoch und vor allen anderen zu loben ist die Sopranistin Gerlinde Illich, das Kronjuwel des Geraer Ensembles, als junge Cosima, mit einer durchweg anspruchsvollen Partie. Das kleine, frisch renovierte Geraer Theater mit der schönen Akustik kommt den Sängern natürlich sehr entgegen und bietet dem Zuhörer ein sehr direktes Erleben. So wirkten auch die übrigen Solisten in keinster Weise überfordert: Elvira Dreßen mit sehr klarer Stimme als alternde Cosima, spielerisch und sängerisch sicher Teruhiko Komori als Friedrich Nietzsche, noch etwas zu starr in Stimmgebung und Spiel Nico Wouterse als Irrenarzt Binswanger. Von den Nebenrollen ist Bernhard Hänsch als Bülow hervorzuheben, dessen Duett mit Gerlinde Illich zu einem musikalischen Höhepunkt der Inszenierung wurde."

Hier zwei Hörbeispiele aus der Direktübertragung von Deutschlandradio Kultur (Samstag, 05.05.2007 um 19 Uhr 30), und zwar der Anfang und der Schluss der Oper. Beidemale treten Nietzsche und Cosima auf; die Texte Cosimas sind teils ihren Tagebüchern und Briefen entnommen, teils von Matthus frei erfunden, wohingegen Nietzsche Zitate aus Werk und Wahnzetteln in den Mund gelegt sind.

Anfang (2,2 MB)

Schluss (2,1 MB)

Wie Sie hören können, treibt Cosima unter verfremdeten Parsifalklängen und mit dem Geläute von Parsifal-Glocken Nietzsche in den Tod, womit die Oper dann aus ist.

Unter der Überschrift "Geteilte Resonanz" berichtete die TLZ (Link s.o.) über die Braunschweiger und die Geraer Inszenierung weiter:
"Die Choristen haben neben einigen kürzeren, sehr prägnant umgesetzten sängerischen Aufgaben als Insassen der Irrenanstalt in dem 90-minütigen Werk viel Bühnenpräsenz zu zeigen. Die streckenweise sehr komplexe Partitur wurde von GMD Eric Soléén mit dem Philharmonischen Orchester Altenburg-Gera adäquat umgesetzt, die historisierenden Passagen gelangen mit ungeheurer Spielfreude, die modernen Abschnitte erklangen korrekt und an einigen kammermusikalischen Abschnitten - wie beim Duett Bülow-Nietzsche - noch nicht transparent genug. Wenige Tage vor der Geraer Premiere ist Cosima in Braunschweig im Rahmen dieser Ringuraufführung auf die Bühne gebracht worden. Die Tatsache, dass dort eine moderne Inszenierung mit nackter Cosima und Nietzsche als Kotschmierer mit Erfolg inszeniert wurde, zeigt wiederum die erstaunliche Strapazierfähigkeit und damit auch die Bühnenwirksamkeit von Matthus´ Musik. Das Geraer Publikum indes war mit seiner historisierenden Inszenierung sehr zufrieden. Die Zuschauer haben aber den Komponisten neben Bravos auch mit lautstarken Buhrufen bedacht."

Soweit man dies vom Hören ohne Textbuch beurteilen kann, wirken sowohl Handlung wie auch Musik doch sehr wie eine Montage mit Ecken und Kanten, manches löst unwillkürlich auch einen eher komischen denn tragischen Eindruck aus, etwa wenn sich die junge Cosima und Hans von Bülow ein Tristan-und Isolde-Duett liefern. Oder wenn die alte Cosima mit dem Irrenhauschef Binswanger telefoniert, um an die angeblichen Opernfragmente Nietzsches zu kommen, da ist unklar, ob man eher lachen oder weinen sollte. Insoweit erinnert mich dies Machwerk am ehesten an Gerard Hoffnungs "Oper der Opern", welche dieser 1956 als Zusammenschnitt von Stoff und Musik der bekanntesten Opern 1956 durchaus anspruchsvoll in London aufführen ließ.
Was uns der Textdichter und Komponist eigentlich dartun will, bleibt mir im Grunde ganz unklar. Die allerdings hochinteressante Konstellation Nietzsche-Wagner-Cosima wird so weniger beleuchtet als benutzt, bloß: benutzt wozu?

Jedenfalls ließen sich die Besprechungen in den überregionalen Blättern dann glücklicher Weise doch nicht so ins Boxhorn jagen, wie die meisten Vorankündigungen; hier einige Beispiele:

Das renommierte Feuilleton der FAZ brachte am 08.05.2007 auf S. 35 einen ausführlichen Bericht über die Aufführung in Gera unter der Überschrift: "Entfesselt tanzt das Über-Ich. Nietzsches nie komponierte 'Cosima'-Oper, erfunden von Siegfried Matthus und gezeigt in Braunschweig und Gera" - womit denn der hier vertretene Standpunkt zur Geheimnistuerei des Komponisten in dankenswerter Klarheit bestätigt wird.
Die kompositorische Arbeit Matthus' wird in dem Artikel von Gerhard R. Koch - wie auch hier - der entsprechenden Kritik unterzogen: "Wer Nietzsches Musik kennt, wird in den angeblich von ihm stammenden sechs um Wagner kreisenden der dreizehn 'Cosima'-Szenen kaum etwas von dieser entdecken. Wohl aber hat Matthus es sich reichlich einfach gemacht, indem er schlicht größere Passagen aus 'Tristan', 'Meistersingern', 'Siegfried', 'Tannhäuser' und 'Parsifal', aber auch das Zigeunerinnen Terzett sowie die Kartenlege-Szene aus 'Carmen' zitiert, gar in den Originaltonarten: Gott und Gegengott als süffig tönendes Über-Ich, schöne Stellen für das Wunschkonzert."
Fazit der FAZ, die immerhin Matthus zu Recht konzediert, er sei "ein versierter Opernkomponist, der es versteht, mit schwirrenden Streicher-Kräuselungen ein klaustrophobisches Bild des wahnbefangenen Nietzsche, vokal auch die Höhen und Tiefen der Cosima-Figur, chorisch und perkussiv die Anstalts-Tumulte effektvoll Klang werden zu lassen." - "Wagner und kein Ende, Nietzsche und kein Ende. Einen zwingenden Schlusspunkt hat diese „Cosima“-Oper erst recht nicht gesetzt."

Die Frankfurter Rundschau (Joachim Lange) berichtet am 12.05.2007 unter der Überschrift "Hangeln am Geländer der Wagnerianer":
"In der Braunschweiger Inszenierung von Kerstin Maria Pöhler hat die herrische Witwe als eine Ho-hepriesterin zum großen Gralsgeläute den Blick auf eine aufsteigende Wagnerbüste gerichtet, während die Gemeinde flach auf dem Boden liegt. Bei Martin Schüler in Gera hält sie die Notenblätter ihres Mannes fest im Griff und das Publikum im Blick. Für die Braunschweiger Version hat Frank Fellmann das angedeutete Bayreuther Festspielhaus und das Jenaer Irrenhaus nebeneinander gesetzt. Worin ja in gewisser Hinsicht ein Fünkchen Wahrheit steckt. In diesem sinnstiftenden Innenraum wird dann eine eher tristandüstere, nicht ganz eingelöste, ambitionierte Innensicht Nietzsches zelebriert - bis hin zu dessen finaler Entgleisung, bei der er nach dem Einzug der Gäste vor aller Augen ein Gralsgefäß zum Nachttopf macht. In Gera hat Dieter Richter eine aufgeheiterte Fin de Siècle-Opulenz für eine eher voyeuristische Draufsicht dagegen gesetzt. Sein Irrenhaus für die gehobenen Stände könnte auch als atmosphärischer Kursaal durchgehen. Mit einem einstimmenden Vorspiel ohne Musik, dafür aber mit Lautfetzen und allen Macken der Insassen und einem projizierten Crashkurs in Sachen Nietzsche-Aphoristik. Es ge-hört zu den Stärken der hochästhetischen Geraer Version, wie souverän der Cottbusser Opernchef mit den Personen und dem Chor umzugehen vermag. Im kurzen Auftritt von Wagners königlichem Gönner im vollen Ornat blitzt dann auch einmal bewusst jene parodierende Selbstironie auf, die Matthus wohl eher unbewusst musikalisch frei Haus liefert."

Und die Mitteldeutsche Zeitung (Ute van der Sanden) betont in ihrer Besprechung vom 10. Mai 2007 nach Rückweisung der angeblichen Autorschaft Nietzsches schon in der Überschrift (Komponist Siegfried Matthus treibt mit seiner Oper 'Cosima' ein Verwirrspiel - Uraufführung in Gera"):
"Wahr ist: Am Wochenende hatte in Gera eine Oper von Matthus Premiere. Sie heißt "Cosima", ist seine elfte, und die Erregung öffentlichen Staunens gehört zum Libretto. Rekonstruiert wurde hier aber lediglich das Jugendstiltheater. "Cosima", als "Ringuraufführung" mit dem Staatstheater Braunschweig annonciert, war daselbst zuvor aus der Taufe gehoben worden.
Wahr ist ebenfalls: Nietzsche hat komponiert. Nicht viel, nicht erfolgreich. Wer jemals eine seiner Notenschriften in den Fingern hielt, hörte oder spielte, wusste sofort: Diese Geschichte ist Legende, ein Werbecoup, der Fantasie eines ausgebufften Komponistenhirns ebenso entsprungen wie das lodernde Geschäftsinteresse der alten Bayreuth-Managerin Cosima Wagner an Nietzsches Opernschaffen in der Psychiatrie. Wahr ist auch, dass sich Matthus' neues Opus schwungvoll durch den Wagnerschen Opernkanon zitiert.
Gleichwohl ist dem Theater Altenburg-Gera sein Bemühen um das zeitgenössische Musiktheater anzurechnen, zumal das Projekt ausschließlich Ruhm und Ehre nützt. Denn "Cosima" geht nicht ins Anrecht, steht einstweilen nur noch einmal auf dem Geraer und erst ab nächstem März auf dem Altenburger Spielplan. Die Ernsthaftigkeit und die Akribie, mit der sich Sänger und Orchester diesem Kraftakt unterziehen, sprechen aus jedem Takt und verdienen höchste Anerkennung."

Auch zur Braunschweiger Aufführung kann ich nun einige Zitate der Braunschweiger Zeitung vom 30.04.2007 aus dem Internet vorstellen:
Unter der Überschrift: Verrückt nach Wagner. Einhelliger Beifall für die Uraufführung von Siegfried Matthus’ „Cosima“-Oper in Braunschweig berichtet Andreas Berger unter anderem:
"Raffiniert zitiert Matthus immer wieder Wagner-Musik, konterkariert sie aber oft durch andere Modulationen oder fremde Texte. Im Bülow’schen Ehebruch-Drama erklingt natürlich 'Tristan'. Wenn Cosima bei König Ludwig (Jan Zinkler) die falsche Ehrenerklärung erschmeichelt, kommt Mimes verschlagenes Umsäuseln Siegfrieds ins Spiel, Siegfrieds Tod und Trauermarsch dröhnen zum Tod des Meisters in Venedig. Leibhaftig jedoch bleibt Wagner verborgen. ... Cosima macht eine Religion daraus. Auf den Boden ausgestreckt wie die Mönche beim Gelübde küsst sie die 'Parsifal'-Partitur, nimmt später die Huldigung der Bayreuth-Pilger per Handkuss entgegen. Der Einzug der Gäste aus 'Tannhäuser' wird dabei zur Blaskapellen-Musi parodiert. Mit Grandezza spielt und singt Karan Armstrong diese energische Gralshüterin. Ihre Jagd nach Nietzsches Enthüllungsoper als Rahmenhandlung wirkt aber überkonstruiert, Matthus’ Musik hier etwas eintönig ... Packend dagegen gelingt Matthus die Charakterisierung der Seelenzustände Nietzsches. Vielleicht sollte er noch eine richtige Nietzsche-Oper daraus machen. Durch glissierende Streicher wird der kopfschmerzgeplagte Phantast auf Wagners Spuren gezeichnet. Zu schrillen Klangballungen rebelliert er gegen sein Über-Ich, wird zum dionysischen Nackttänzer – und endet als klinischer Kotschmierer, der den Gralskelch verunreinigt."


Zum Abschluss noch einige Fragen und Argumente, warum es sich bei dem angeblichen Sensationsfund der handschriftlichen Nietzsche-Fragmente nur um eine Fiktion (oder Fälschung?) handeln kann:

Die einfachste Frage: Warum zeigt Matthus seinen angeblichen Fund nicht vor und lässt ihn prüfen? Keine Handschrift ist wohl besser bekannt als diejenige Nietzsches, an der sich Generationen von Entzifferern bis zum heutigen Tag abgemüht haben und abmühen; es wäre also ein Leichtes festzustellen, ob es sich um Originale handelt (von den chemischen Untersuchungen mal ganz abgesehen) - aber es gibt eben solche Originale nicht.

Nietzsche wäre seit seiner Einlieferung in Jena zu einem solchen "Werk" keinesfalls in der Lage gewesen - man lese die Vielzahl der vorhandenen Berichte über ihn in der Anstalt nach (etwa seitens der Mutter und Overbecks), dazu die von Pia Volz zusammengetragenen Unterlagen: "Herr Professor Nietzsche ist leider dauern erregt u. verwirrt. Seine Krankheit gibt leider keine Hoffnung auf Heilung." (Volz S. 291) Und Binswanger sollte recht behalten. Bereits März 1890 nahm dann die Mutter ihren Sohn zu sich, also hätte Nietzsche bis dahin diese Fragmente schreiben müssen. Konnte er das aber? Schriftproben aus der Klinikzeit widerlegen auch dieses, wie Beispiele wiederum bei Volz (S. 416/7) zeigen.

Ein Kontakt zwischen Nietzsche und Cosima, der auch noch von dem kranken Nietzsche "angeleiert" sein sollte, ist eine ganz abstruse Behauptung. Nietzsche wurde im Hause Wagner nach seiner Abwendung nicht mehr erwähnt, war persona non grata - seine letzten Botschaften schickte er bereits im Wahn aus Turin nach Bayreuth an Cosima, wo ich einen dieser Wahnzettel vor einiger Zeit fotografierte, so dass Sie ihn mit diesem Link einsehen können. Und dieser Nietzsche hätte eine Oper schreiben sollen, um deren Aufführung er Cosima dann auch noch in Bayreuth bittet? Eine solch wichtige Sache hätte mit Sicherheit Niederschlag in Cosimas Tagebüchern gefunden - doch auch hier natürlich völlige Fehlanzeige.

Natürlich täten sich noch viele weitere Fragen auf hinsichtlich des angeblichen komplizierten Wegs dieser Fragmente, die über Bayreuth schließlich, welch ein Zufall, ausgerechnet in Rheinsberg landen, wo sich Herr Matthus befindet ... - aber das scheint jedenfalls mir völlig überflüssige Liebesmüh.

Zuletzt: Wenn solche Papier wirklich als echte existierten, wäre dies eine wirkliche Sensation, die sich niemand entgehen lassen würde, allein schon wegen des Wertes eines solchen Fundes, und er würde alle Hebel in Bewegung setzen, um die Echtheit bestätigen zu lassen (man denke nur an den STERN und Kujau ...) - aber das interessiert Herrn Matthus gar nicht, auch die Tatsache nicht, dass ein solcher Fund für alle Nietzscheforscher, die eben noch am Abschluss der großen Nietzsche-Edition arbeiten, von überragender Wichtigkeit wäre. Aus all dem geht eindeutig hervor, dass diese Geschichte nur erfunden wurde, um für die Oper "Cosima" ein möglichst großes öffentliches Interesse zu erwecken, und das ist Herrn Matthus ja weithin gelungen. Wie ich höre, hat selbst die FAZ in ihrer heutigen Ausgabe (08.05.2007) einen Bericht gebracht; sobald ich über diesen verfüge, werde ich dessen Ergebnisse hier ebenfalls vorstellen.




Ein Stellungnahme des Komponisten Siegfried Matthus zur modernen Musik hatte ich bereits vor einiger Zeit in mein weiteres Internet-Projekt "Der Tod der Musik aus dem Geist der Komödie" aufgenommen, das sich mit der Wirkungsweise von Musik und insbesondere mit der Problematik der modernen atonalen Musik befasst, die bekanntlich große Probleme hat, sich beim Publikum durchzusetzen. Bereits damals (10.09.2005) verkündete Matthus, dass ihm "Skizzen von Nietzsche zu einer Oper über Cosima Wagner in die Hände gefallen" seien. Informieren Sie sich darüber mit diesem Link.

Die eigene Homepage von Siegfried Matthus finden Sie im Internet unter http://www.siegfried-matthus.de.



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